Können wir wirklich CO2-neutral fliegen?

Fliegen steht wie keine andere Technologie für die umweltschädliche Lebensweise der Ersten Welt. Bis 2050 will die Luftfahrt trotz ihres steilen Wachstums nur halb so viele Treibhausgase ausstoßen wie 2005. Doch werden wir tatsächlich irgendwann ohne schlechtes Gewissen ins Flugzeug steigen?

  1. Flugverkehr nimmt stetig zu
  2. CO2-Emissionen: Flugsteuer senkt Nachfrage nicht
  3. Elektroflugzeuge: Ein Weg für die Zukunft?
  4. Power-To-Liquid für CO2-freie Flüge
  5. Grüne Luftfahrt möglich

flugverkehr nimmt stetig zu

122,6 Millionen Passagiere hoben von deutschen Flughäfen 2018 ab, das war ein Plus von 4 Prozent gegenüber 2017. Weltweit sind 2017 über 4 Milliarden Menschen geflogen, 2036 werden es laut Prognosen 7,8 Milliarden sein.

Dabei erreicht Deutschland nur den vierten Platz im Länderranking über die Anzahl der Flugpassagiere (2015). Unangefochten den ersten Platz belegen die USA mit 798 Millionen Fluggästen, an zweiter und dritter Stelle befinden sich China und Großbritannien.

Sowohl in den USA als auch in China sind wegen der großen Entfernungen zwischen den Städten Inlandsflüge beliebt und günstig, während im UK die Bürger das Flugzeug oft nutzen, um Ziele auf dem europäischen Festland zu erreichen.

co2-Emissionen: flugsteuer senkt nachfrage nicht

Viele Länder diskutieren über oder erheben bereits eine Luftverkehrsteuer, um die negative Auswirkungen des Flugverkehrs auf die Umwelt zu kompensieren. In Deutschland beträgt sie derzeit 7,38 Euro für Inlands- und inneneuropäische Flüge und 41,49 Euro für Fernflüge, Nach dem Willen der Regierung sollte sie sich ab Januar 2020 verdoppeln.

2 Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen aufs Konto der Luftfahrt, Tendenz steigend. Obwohl die durchschnittlichen Emissionen pro Passagierkilometer seit 1990 um 50 Prozent reduziert wurden, wuchsen sie als absolute Zahl trotzdem, weil die Fluggäste sich in der gleichen Zeit mehr als vervierfachten. Anhand dieser Erkenntnisse bleibt die Lenkungswirkung einer CO2-Steuer auf Flüge fraglich.

elektroFlugzeuge: Ein weg für die zukunft?

Während der Unmut über das klimaschädliche Fliegen weltweit wächst, bleibt die Luftfahrt nicht untätig. Mittlerweile sind elektrisch betriebene Flugzeuge keine Utopie mehr. Tatsächlich könnte die Elektromobilität auch in der Luftfahrt Einzug halten.

Bereits 2011 baute die Universität Stuttgart e-Genius, einen Zweisitzer mit einer 270 kg schweren Batterie und einer Reichweite von 400 km. Im gleichen Jahr absolvierte er einen Testflug über die Alpen. Mittlerweile arbeitet das Team von Professor Strohmayer an einem Hybridflugzeug, das elektrisch betriebene Batterien und einen Dieselmotor nutzt. Ein solches Modell könnte sich in der kommerzielle Luftfahrt behaupten.

Gleichzeitig entwickelt Airbus das E-Fan X, ein Hybridflugzeug bei dem eins der vier Triebwerken von einem 2 MW Elektromotor ersetzt wird. Sein Ziel ist, bis 2050 den CO2-Ausstoß von Fliegern um 75 Prozent zu verringen. In den USA plant Zunum Aero, ein von Boeing finanziertes Startup, ab 2022 einen hybriden 12-Sitzer auf dem Markt anzubieten.

co2-Neutral FliegeN: batterien der neuen generation leistungsfähiger

Der Hauptnachteil von Elektroflugzeugen bleibt die niedrige Energiedichte der heute dominierenden Lithium-Ionen-Batterien im Vergleich zu ihrem Gewicht. Während Kerosin eine Energiedichte von zirka 11 kWh/kg aufweist, kommen heutige Batterien auf maximal 180 Wh/kg. Braucht eine vollgetankte A320 14,9 Tonnen Kerosin, müsste sie also 914 Tonnen schwere Akkus mitführen, um über die gleiche Energie zu verfügen.

Doch an kaum einer Technologie wird derzeit so viel geforscht wie an Batterien. Qichao Hu, Gründer von SolidEnergy Systems, entwickelte zusammen mit dem Massachusetts Institute of Technology eine Lithium-Metall-Batterie, die die doppelte Energiedichte herkömmlicher Akkus aufweist.

Das kanadische Startup XNRGI meldete ebenfalls die Erfindung einer Lithium-Metall-Batterie aus Wafern, die die sechsfache Energiedichte von konventionellen Lithium-Ionen-Akkus besitzen soll. 2020 will es die ersten Modelle liefern.

norwegen will ab 2040 co2-neutral fliegen

Norwegen übernimmt in Europa eine Vorreiterrolle bei der Förderung von Elektromobilität. So ist es nicht verwunderlich, dass die regionale Fluggesellschaft Widerøe plant, bis 2030 ihre Flotte komplett auf Elektroflugzeuge umzurüsten. Dafür hat sie eine Partnerschaft mit Rolls Royce beschlossen. Derzeit setzt sie vor allem Bombardier Dash 8 Q100s mit 39 Sitzplätzen bei Kurzstreckenflügen ein.

Trotz Fortschritte und Nischenlösungen werden rein elektrisch betriebene Flugzeuge jedoch in den nächsten Jahren eine Ausnahme bleiben. Vor allem auf Langstreckenflügen bleibt es fraglich, ob sie jemals wirtschaftlich sein werden.

power-to-liquid für co2-freie flüge

Wenn wir auf voll elektrisch betriebene Flieger noch eine Weile werden warten müssen, könnte klimaneutrales Kerosin viel früher zum Einsatz kommen. Indem aus CO2 Kraftstoff wird, entsteht ein geschlossener Kreislauf, bei dem genauso viel CO2 erzeugt wie zuvor aus der Luft entnommen wurde. Unter dem Namen Green-Power-2-Jet planen unter anderem der Ölkonzern BP, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Airbus in Stade bei Hamburg eine Power To Liquid-Anlage.

Wie funktioniert power-To-Liquid?

  • Die Ausgangsstoffe sind Kohlendioxid (CO2) aus Bioanlagen oder aus der Luft sowie Wasser (H20).
  • Mithilfe der Elektrolyse wird Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Der Strom kommt aus regenerativen Energien.
  • Während der Sauerstoff in die Luft entweicht, wird dem gasförmigen Wasserstoff das Kohlendioxid hinzugefügt. Es bildet sich Synthesegas.
  • In einem Reaktor entstehen je nach Verfahren verschiedene Kohlenwasserstoffe (CxHy)
  • Nach weiteren Raffinerieprozessen sind sie bereit, um als Kraftstoff für Flugzeuge genutzt zu werden.

preis entscheidend für kommerzielle verwendung

Derzeit kostet ein Liter aus Erdöl hergestelltes Kerosin 0,40 Euro. Ein Liter Power-To-Liquid Kerosin schlägt dagegen mit zirka 4 Euro zu Buche. Viele wollen jedoch daran etwas ändern. Die EnBW Tochter EnergieDienst arbeitet zusammen mit Audi und INERATEC an einer Anlage für Power-To-Liquid Kraftstoffe. Ihr Ziel ist, den Preis für die syntetischen Kraftstoffe kurzfristig auf 2 Euro pro Liter zu senken.

Entscheidend für die Kosten von Power-To-Liquid Kerosin ist der Preis für die regenerativen Energien. Aus diesem Grund könnten sich als Standorte für die Anlagen Länder wie Australien oder Spanien etablieren, in denen eine Hohe Sonneneinstrahlung vorhanden ist. Photovoltaikanlagen würden dann günstigen Strom für die Elektrolyse bereitstellen. Auch windreiche Regionen wie Nordafrika und Sardinien eignen sich als Power-To-Liquid Standorte Dort könnten Windturbinen die benötigte Energie liefern.

grüne luftfahrt möglich

Sowohl elektrisch betriebene Flieger als auch Kraftstoffe aus Power-To-Liquid-Verfahren beweisen, dass CO2-neutrales Fliegen möglich ist. Wie schnell die Technologien marktreif und umgesetzt werden, hängt von politischen Maßnahmen ab. Eine von den Fluggesellschaften gefürchtete und von Umweltaktivisten geforderte Kerosinsteuer würde zum Beispiel den Anreiz erhöhen, Power-To-Liquid Kraftstoffe serienmäßig zu produzieren und ihren Preis zu senken.

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