Künstliche Intelligenz ist zweifellos ein Buzzword der letzten Jahre. Deep Learning Algorithmen ermöglichen die Modellierung komplexer Realitäten im industriellen Umfeld und reduzieren die Notwendigkeit für aufwändige Testversuche. Gerade an schwer erreichbaren Orten wie Windturbinen ist das wichtig.
der motor der energiewende
Windturbinen stellen zusammen mit Solaranlagen die Säulen der Energiewende dar. 67,2 Terawattstunden an Strom haben sie im ersten Halbjahr 2019 ins deutsche Netz gespeist. Ende 2018 waren Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 52,931 Megawatt installiert. Wegen des geplanten Kohleausstiegs wird die Zahl künftig steigen.
Moderne Windturbinen liefern eine Leistung von bis zu 10 Megawatt und sind nicht selten höher als 100 Meter. Der Simulation kommt eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur ist es wichtig zu wissen, ob die Blätter, das Getriebe und der Turm die Belastungen im Betrieb und bei extremen Ereignissen standhalten. Ständig optimieren Ingenieure das Design, um den Ertrag und damit die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Nur so bleibt Windstrom gegenüber fossilen Brennstoffen konkurrenzfähig.
die grenzen der simulation
Doch wie testen sie das Verhalten eines solch komplexen Systems? Tests mit Prototypen im Windkanal sind teuer und zeitaufwändig. Deswegen nutzen sie sogenannte Multibody Simulationen. Die Software bildet die Elemente der Windturbine in einem vereinfachten Modell ab. Sowohl Ermüdungslasten aus dem Betrieb als auch extreme Belastungen wie Eis an den Blättern und Orkane lassen sich so näherungsweise am Rechner nachstellen.
Doch die Simulation hat Grenzen. Immer wieder versagen Teile, obwohl sie es laut Berechnungen nicht sollten. Warum ist das so? Egal wie präzise die Turbine mithilfe der Finiten-Elementen-Methode modelliert wird, es werden Vereinfachungen angenommen.
virtuelle zwillinge erstellen
Digital Twins verfolgen einen anderen Ansatz. Sie nutzen Messdaten aus reellen Maschinen, die mithilfe von Deep Learning Algorithmen verarbeitet werden. Die virtuellen Zwillinge können so das Biegemoment an der Rotorblattwurzel oder am Turmfuß anhand von erstellten Statistiken sicher voraussagen.
Die Plattform GE Predix stellt ein Beispiel für eine IoT-Software dar, die im industriellen Bereich Big Data auswertet und Voraussagen ermöglicht. Die GE Turbineningenieure nutzen sie zum Beispiel, um die Temperaturentwicklung im Motor als Funktion des erzeugten Stroms vorauszusagen. Das erspart die Platzierung von Temperatursensoren an schwer erreichbaren Stellen.
kurzfristige Ertragsvoraussagen
Ein weiteres Anwendungsfeld stellen Ertragsvohersagen dar. Konventionelle Prognosen nutzen die Windverteilung am Standort aus einem Windatlas, um die Windverhältnisse zu schätzen. Da die Windleistung jedoch von Jahr zu Jahr mitunter stark schwankt, sind sie oft ungenau. An der Präzision der Voraussagen hängt jedoch die Wirtschaftlichkeit ganzer Windparks ab.
Der Internetriese Google und seine Tochterfirma DeepMind haben jetzt ein Konzept entwickelt, um Machine Learning Algorithmen mit Wettervorhersagen und den zugehörigen Erträgen zu trainieren. Damit soll die Software in der Lage sein, anhand des Wetterberichts eine zuverlässige Voraussage der kommenden drei Tage zu liefern.
überflüssige wartungen eliminieren
Der Begriff „Predictive Maintenance“ fällt immer im Zusammenhang mit Big Data und künstlicher Intelligenz. Der konventionelle Ansatz für die Wartung lautet, dass Inspektionen nach festgeplanten, regelmäßigen Intervallen stattfinden. Sie basieren auf allgemeine Erfahrungswerte. Sie berücksichtigen jedoch nicht, ob die eine Windturbine gerade keine Wartung benötigt oder im Gegenteil Teile früher als geplant ausgetauscht werden müssen.
Gerade bei Windkraftanlagen sind Wartung schwierig und teuer. Nicht nur Offshore Anlagen im Meer sind das Problem. Auch Onshore Windturbinen befinden sich oft an fernen und schwer erreichbaren Orten. Predictive Maintenance nutzt ein anderes Prinzip. Sensoren messen Temperatur, Druck und andere Kräfte an verschiedenen Stellen. Big Data Algorithmen werten sie aus und rechnen die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall in den nächsten Wochen.
So erhält jede Maschine ein eigenes Profil. Die Windparkbetreiber sparen kostspielige, nicht notwendige Einsätze. Auf der anderen Seite lassen sich Gierfehler, sowie defekte Getriebe und Lager zuverlässig vorhersagen, bevor das Versagen auftritt
bessere materialien und eisvorhersagen : Die Zukunft von KI
Weltweit forschen Wissenschaftler weiter an mögliche Use Cases von KI, um die Windenergie effizienter zu machen. Im VTT Forschungsinstitut in Finnland haben sie ein Modell entwickelt, um die ideale Materialkombination zu finden, die resistent gegenüber Abnutzung ist.
Amerikanischen und chinesischen Forschern gelang dagegen, ein System namens WaveletFCNN zu erfinden, die Muster in Sensordaten entdeckt und so vereiste Blätter identifiziert. Goldwind, einer der größten chinesischen Windturbinenhersteller, nutzt das Programm bereits und berichtet von einer Zuverlässigkeit von 81 Prozent.
Es bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt. Sicher ist jedoch, dass die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und alternativen Energien vielversprechend bleibt.